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Überleben durch Kunst im KZ

Zwangsarbeit für die Regensburger Messerschmittwerke im Konzentrationslager Gusen (Oberösterreich)

Die Staatliche Bibliothek Regensburg erhält einzigartige Aquarelle eines ehemaligen Häftlings, die den Lageralltag dokumentieren.

Ausstellung samt Begleitband für Herbst 2012 geplant - Sparkasse Regensburg unterstützt das Projekt mit 10.000,- €

Die Staatliche Bibliothek Regensburg nahm unlängst eine wertvolle Schenkung entgegen: Zehn künstlerisch wertvolle Aquarelle von Franciszek Znamirowski, einem polnischen Häftling des Konzentrationslagers Gusen. Znamirowski war am 2. Juni 1943 verhaftet worden, weil er im November 1939 begann, im besetzten Warschau als Major der polnischen Armee den politisch-militärischen Untergrund zu organisieren und schließlich an der Spitze einer Widerstandsgruppe im Stadtkreis Warschau gestanden hatte. Nach seiner Verhaftung brachte ihn die Sicher¬heitspolizei nach Auschwitz, von wo aus er später ins Konzentrationslager Gusen verlegt wurde.

Das Regensburger Messerschmittwerk produzierte seit den Zerstörungen von 1943 und 1944 in Gusen Bauteile für die von der Luftwaffe des "Dritten Reiches" dringend benötigten Jäger. Und dorthin war auch Karl Seider abgeordnet worden. Seider, ein Regensburger Arbeiter, war nach Gusen gekommen, um im Konzentrationslager ein Arbeitskommando für die Rüstungsproduktion zu beaufsichtigen. Franciszek Znamirowski widmete und schenkte die Aquarelle Karl Seider, der in Gusen vermutlich der Vorgesetzte von Znamirowski war.

In der "Hölle von Gusen" - so ehemalige Häftlinge - kamen wohl mehr als 40.000 Menschen um. In dieser Umgebung scheint Seider einer der wenigen Menschen gewesen zu sein, der Menschlichkeit bewies. So jedenfalls legen es Znamirowskis 1971 in Kanada auf Polnisch in kleiner Auflage und privat erschienenen Erinnerungen nahe.

Nach der Befreiung organisierte Znamirowski das Leben der polnischen sog. Displaced Persons in Linz, um schließlich ins politische Exil nach Großbritannien zu gehen, weil er nicht in das mittlerweile kommunistisch regierte Polen zurückkehren wollte. Im Exil wirkte er als Sozialpolitiker und Künstler weiter. 1962 zog er nach Kanada, wo er 1971 einen Erinnerungsband zum Konzentrationslager Gusen veröffentlichte, kurz bevor er 1972 in Toronto starb. Es dürfte nur sehr wenige Überlebende der deutschen Konzentrationslager geben, in deren Lebensläufen sich so viele unterschiedliche Aspekte bündeln wie in dem von Franciszek Znamirowski: Berufsoffizier, leitender Widerständler, Häftling in Auschwitz, Mauthausen und Gusen, Künstler und Exilpolitiker.

Die der Staatlichen Bibliothek Regensburg vorliegenden Aquarelle von Franciszek Znamirowski stellen über ihren künstlerischen Wert hinaus eine einzigartige historische Quelle für den Lageralltag im Konzentrationslager Gusen und die Perspektive der Häftlinge dar, wie sie den Alltag unter den gegebenen Umständen festzuhalten bemüht waren. Seider und Znamirowski verband überdies Einiges: sie waren beide gelernte Maler, Familienväter und auch Katholiken.

Die Vita Znamirowskis und die Aquarelle bilden die Grundlage für ein Ausstellungsprojekt sowie eine Buchpublikation im Dr. Peter Morsbach Verlag unter Mitwirkung zahlreicher Experten unter der Leitung von Prof. Dr. Mark Spoerer, Lehrstuhl für Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Universität Regensburg, Dr. Bernhard Lübbers, Leiter der Staatlichen Bibliothek Regensburg, Dr. Roman Smolorz vom Institut für Ost- und Südosteuropaforschung in Regensburg und dem Regensburger Antiquar Reinhard Hanausch, der die Aquarelle 1997 bei einem Buchankauf erworben und gesichert hatte und sie nunmehr der Staatlichen Bibliothek übergeben hat.

Die Ausstellung wird im Herbst 2012 der Öffentlichkeit präsentiert. Die Sparkasse Regensburg unterstützt das Gesamtprojekt in großzügiger Weise mit 10.000 €.

Franz-Xaver Lindl, Vorstandsvorsitzender des regionalen Finanzdienstleisters, äußert sich hierzu: "Die Zentrale der Sparkasse Regensburg wurde auf dem Gelände des ehemaligen Messerschmittwerkes errichtet. Unsere Auszubildenden gehen in der Berufsschule Matthäus Runtinger an der Prüfeninger Straße am Denkmal für die während der Bombenangriffe getöteten Lehrlinge des Werkes vorbei. Das allein sind Gründe, dieses wichtige Projekt mit einer entsprechenden Spende zu unterstützen."

Vermutlich befinden sich auch in Privatbesitz noch Unterlagen (Briefe, Tagebücher), Fotographien, Zeichnungen und ähnliche Relikte, welche zur Erhellung dieser Umstände beitragen können. Die Bevölkerung ist dazu herzlich eingeladen, Hinweise oder weiterführende Informationen zur Verfügung zu stellen. Diese können in der Staatlichen Bibliothek abgegeben werden.

Bericht in der Mittelbayerischen Zeitung vom 03.05.2012 (PDF, 1 Seite)
Bericht in der Donau-Post vom 04.05.2012 (PDF, 1 Seite)
Bericht in der Süddeutschen Zeitung vom 05.05.2012
Bericht im Blizz vom 06.05.2012 (PDF, 1 Seite)
Bericht in der Mittelbayerischen Zeitung vom 11.05.2012 (PDF, 1 Seite)
Bericht im Kulturjournal vom Juni 2012 (PDF, 1 Seite)

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